Im Gesundheitssystem knirscht und knarrt es an allen Ecken und Enden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) berichtet über 22.000 unbesetzte Stellen in den Krankenhäusern, allein 8.000 davon entfallen auf die Intensivstationen. Um eine freiwerdende Stelle dort neu zu besetzen, braucht es mittlerweile im Schnitt 21 Wochen. Dann verwundert es auch nicht, dass laut DIVI-Intensivregister des RKI von August 2020 bis Januar 2022 fast 10.000 Intensivbetten abgebaut wurden bzw. nicht mehr zur Versorgung Schwererkrankter zur Verfügung stehen. Im Bereich der Pflege und Eingliederungshilfe sieht die Welt nicht besser aus.
Das neuartige Virus trifft also auf ein schrumpfendes Gesundheitssystem. Das ist nicht allein Corona geschuldet, sondern eine langjährige Entwicklung nicht zuletzt infolge von Privatisierung und angeblicher Effizienzsteigerung in der Branche. Corona verschärft diese Entwicklung noch einmal kräftig. Und dann sagen wir ungeimpften Menschen, die ebenso wie ihre geimpften Kollegen seit fast zwei Jahren unter hohem persönlichen Einsatz weit über ihre Belastungsgrenze hinaus und unter Einhaltung sämtlicher Hygienevorschriften die Versorgung der Kranken sowie der Pflege- und Betreuungsbedürftigen sicherstellen:
Ab 16.03.2022 brauchen wir euch in diesem System nicht mehr, wenn ihr euch nicht impfen lasst? Wenn landauf landab Waldbrände wüten, sagen wir allen Feuerwehrleuten, die heimlich rauchen, ihr dürft beim Löschen nicht mitmachen?
Welche konkreten Maßnahmen werden ergriffen, um wieder mehr Menschen für Gesundheitsberufe zu begeistern, vielleicht auch aus dem System in der Vergangenheit abgewanderte Menschen wieder zurück zu gewinnen, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen und alle angemessen zu entlohnen?
Unsere Fragen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie müssen aber sicher beantwortet und die Folgen einer Impfpflicht für die Menschen, das Gesundheitssystem und unsere Gemeinschaft insgesamt gut abgewogen werden. Wo Folgen nicht sicher eingeschätzt oder Ausweichmöglichkeiten für Betroffene nicht aufgezeigt werden, sollte auf eine Impfpflicht im Zweifel lieber verzichtet werden. Ein schwieriger Aushandlungsprozess, der sorgfältig und mit der notwendigen Zeit geführt werden muss. Deshalb unser Appell:
- Den Nutzen einer allgemeinen Impfpflicht überdenken und die Folgen im Blick behalten.
- Die Impfpflicht im Gesundheitswesen bis zur Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht aussetzen.
- Alle vorhandenen staatlichen Ressourcen für eine dauerhafte Stärkung des Gesundheitssystems einsetzen.
Abschließend noch ein Wort an unsere Mitarbeitenden:
Wir danken allen Mitarbeitenden, geimpft oder ungeimpft, für ihr Engagement und den Enthusiasmus, mit dem sie die täglichen Herausforderungen bewältigen und die Versorgung unserer Bewohner/Klienten sicherstellen.
Den geimpften Mitarbeitern danken wir zusätzlich für ihre Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Sie brauchen ab hier nicht mehr weiterlesen.
An alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich noch nicht zu einer Impfung entschließen konnten:
Ja, Sie können auch nach dem 15.03.2022 bei uns weiterarbeiten. Auch wenn die Impfpflicht offiziell nicht ausgesetzt werden sollte, entscheiden erst die Gesundheitsämter in jedem Einzelfall, ob ein Beschäftigungs- bzw. Betretungsverbot ausgesprochen wird.
Ungeachtet dieser Sachlage dennoch unsere Bitte:
Überdenken Sie Ihre Entscheidung. Wir akzeptieren diese, glauben aber aus den Erfahrungen und Erkenntnissen unserer täglichen Arbeit, dass in der Abwägung mehr Gründe für als gegen eine Impfung sprechen. Natürlich können sich allein aus medizinischen Gründen nicht 100 Prozent aller Menschen impfen lassen. Manche lehnen Impfungen jedweder Art grundsätzlich ab. Einige haben Angst vor Spritzen. Vielen Menschen ist die Erprobungs- bzw. Entwicklungszeit der eingesetzten Impfstoffe zu kurz. Und alle Ungeimpften fühlen sich sicher öffentlich diskreditiert und unter Druck gesetzt. Wir können Ihnen versichern, dass alle engagierten AWO-Mitarbeitenden uns willkommen sind, unabhängig vom Impfstatus. Wir wissen, was Sie alle leisten und dass eine Entscheidung für oder gegen eine Impfung keine einfache Entscheidung ist. Familie, Kollegen und vor allem die Betreuten – an vielen Stellen sind Sie gefordert, erfahren Zustimmung oder Ablehnung. Wenn wir Sie bei der Entscheidungsfindung unterstützen können, Sie das Gefühl haben, ein persönliches Gespräch mit uns könnte helfen, zögern Sie nicht und sprechen uns an. Wir, der Vorstand des AWO Bezirksverbandes Potsdam e.V., finden in jedem Fall Zeit und einen individuellen Termin.