„Wenn wir den ländlichen Raum jeder Struktur entblößen, gibt es keine Verhandlungsräume mehr, keinen Ort für Meinungsaustausch. Die Menschen vereinzeln“, warnte Sven Leist, Geschäftsführer der AWO Betreuungsdienste gGmbH. „Den ländlichen Raum stärken“ lautet deshalb eine der Forderungen aus dem 1plus9-Programm, die zusammen mit „Mehr Qualität in Kitas und Schulen“ und „Inklusion – ja, aber richtig!“ am Dienstagabend für Gesprächsstoff sorgten.
Sven Leist verlangte eine bundeseinheitliche und vergütete Ausbildung für den in der Arbeit mit behinderten Menschen unverzichtbaren Beruf der Heilerziehungspflege. Bisher müssten die Auszubildenden für die schulische Ausbildung sogar Geld mitbringen, weshalb dieser Beruf immer seltener gewählt würde. Außerdem forderte er, dass behinderte Menschen, die „in besonderen Wohnformen“ gleiche Leistungen aus der Pflegeversicherung erhielten wie stationär gepflegte Seniorinnen und Senioren. Zurzeit hätten nämlich im Heim untergebrachte Menschen mit Behinderung keinen Anspruch auf Pflegegeld. „Das ist Diskriminierung“, so der Referent für Teilhabe in der Gemeinsamen Landesarbeitsgemeinschaft der AWO in Brandenburg (AWO LAG).
Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr haben bundesweit einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Wie allerdings die Betreuung ausgestaltet wird, sei Ländersache, erläuterte Sybill Radig, AWO LAG-Referentin für Kinder- und Jugendhilfe in ihrem Input zu „Mehr Qualität in Kitas und Schulen“. Deshalb fiele die Kindertagesbetreuung in Deutschland sehr unterschiedlich aus, oftmals auf Kosten der Kinder und der pädagogischen Fachkräfte. Für Brandenburg fordert Sybill Radig eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels und eine Finanzierung der tatsächlichen Betreuungszeit. Besser aber wäre es – auch mit Blick auf eine neue Bundesregierung – wenn auf Bundesebene nicht nur der Rechtsanspruch, sondern auch qualitätssichernde Standards der Ausgestaltung festgelegt würden.
Zum Austausch der verschiedenen Standpunkte wurde als Gesprächsform das moderierte „Fishbowl“ gewählt. Diskutierende und Publikum sitzen dabei im Kreis, die Rollen können wechseln, jede und jeder kann sich zu Wort melden und ihre/seine Sicht zur Sachfrage darbringen. Die Zeit pro Wortbeitrag ist auf zwei Minuten begrenzt. Auch nach dem offiziellen Teil wurde in Wittstock munter weiter diskutiert – bei Boulette, Hochzeitssuppe und Fruchtsaft – ein bisschen wie in der Kneipe aufm Dorf.