Rundreise durch 2024

Menschen, die sich begegnen, haben mehr gemeinsam als gedacht

Menschen, die sich begegnen, haben mehr gemeinsam als gedacht

Entdecken, was die Natur jeden Monat bereithält, welche besonderen Orte und Menschen es im Landkreis gibt – das haben wir mit dem Projekt „Natur Verbindet“ im Vorjahr erfahren. Die 30 Teilnehmer*innen des Offenen Eltern-Kind-Treffs, ein Angebot des Familienzentrums im AWO-Mehrgenerationenhaus, erlebten auf gemeinsamen Ausflügen ein facettenreiches Jahr. Mit der Förderung des „House of Resources“, ein vom BAMF gefördertes Modellprojekt, konnten die Menschen mit Fluchthintergrund, die isoliert außerhalb der Stadt in Blöcken wohnen und kaum Kontakt zu Einheimischen im Sozialraum haben, ihr Lebensumfeld erkunden, ihre Deutschkenntnisse erweitern und festigen.

 


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Wir sind in erster Linie Menschen, die sich begegnen und dabei feststellen, dass wir mehr gemeinsam haben, als gedacht. Ob aus Afghanistan, der Ukraine, Syrien oder Deutschland – alle lachen in derselben Sprache und haben gleiche Themen: der Schulbusstreik etwa verbunden mit der Frage „Wie kommen deine Kinder morgen zur Schule?“ Der erste Ausflug am 29. Februar 2024 führte uns nach Baitz zur Staatlichen Vogelschutzwarte mit neun Erwachsenen und drei Kindern. Der Austausch offenbarte die Erkenntnis: keiner ist allein mit dieser Herausforderung, womit sie sich leichter anfühlte, was Platz für neue Eindrücke schaffte. In der Ausstellung der Vogelschutzwarte bekam die Gruppe einen Einblick in die Tierwelt des Naturparks Hoher Fläming. So bestaunten die Besucher*innen den Schwarzstorch, Seeadler, Biber und Uhu sowie das Flaggschiff für den Wiesenbrüterschutz, die Großtrappe.

Am 11. April ging die Reise mit zehn Frauen und Kindern nach Mörz. Unterwegs sind ihnen aufgeknüpfte Gummistiefel aufgefallen. „Was bedeutet das?“, wollten sie wissen und erfuhren so von den Bauernprotesten gegen die deutsche Agrarpolitik. Davon unbeeindruckt begrüßten uns die neun Esel, mit denen wir den Frühlingstag draußen genießen konnten. Was Wertvolles in heimischen Kräutern steckt, erklärte uns eine Teilnehmerin, die sich mit Pflanzen auskennt. Für unsere Gemüsesuppe sammelten wir essbare Blätter und Blüten neben der Weide. „Alles, was hier wächst, gibt es in meiner Heimat auch“, erzählte Olesia aus der Ukraine.

Mit einer Gruppe von 25 Menschen waren wir am 08. Juni 2024 unterwegs zum Hoffest auf dem Gut Schmerwitz im Rahmen der Brandenburger Landpartie. Von Brück bis Bad Belzig per Bahn und von dort mit dem Bus zum Reiseziel. Vor Ort waren Landmaschinen ausgestellt, regionale Händler boten Obst und Gemüse an, die Naturwacht informierte über Fledermäuse und gegenüber lockte ein Bastelstand die ukrainischen Menschen magisch an. Mit geflochtenen Blumenkränzen kehrten sie zur Gruppe zurück und erklärten, dass die Gebinde zum Mittsommerfest „Iwana Kupala“ gehören, dass sie in ihrer Heimat feiern. Daraus entstand die Idee, diese Tradition zusammen in Brück zu begründen.

Während die Planung zum Mittsommerfest schon im Hintergrund lief, ging es am 13. Juni 2024 nach Wiesenburg, wo wir den Park und das Schloss besichtigt haben.

Mit Wiesenblumen im Gepäck zog der offene Eltern-Kind-Treff am 11. Juli 2024 zur Alten Mühle in Gömnigk. Mehr als 30 Menschen aus der Ukraine, Afghanistan und Brandenburg kamen zusammen - um die „Land und Mehr Projektinitiative“ der Mühlenbewohner*innen kennenzulernen und zu feiern. Das Fest zur Sommersonnenwende „Iwana Kupala“ gehört zum slawischen Brauchtum. Dank der Gastfreundschaft der LuMPis“, wie sich die Gemeinschaft aus 20 Erwachsenen und 10 Kindern nennt, konnte das Fest am Plane-Fluss stattfinden. Den Ukrainer*innen fehlte bislang ein geeigneter Ort mit Feuerstelle und Flusszugang im Amt Brück, an dem sie willkommen sind. Grade in schwierigen Zeiten geben Rituale Halt. Sie fördern den Zusammenhalt in der Community und Bindungen innerhalb der Familien. Wie ein Magnet zog das schattige Torhaus der Mühle die Gruppe an, wo sie Blumenkränze aus Baldrian, Wiesen-Storchschnabel, Mädesüß, Wasserdost, Oregano, Schafgabe, Korn- und Sonnenblumen kreierten. Mit ihren „duften“ Kunstwerken wanderten alle zur Plane - ein perfekter Ort für einen weiteres Ritual. Unverheiratete Frauen legen Blumenkränze ins Wasser. „Sie wünschen sich damit einen schönen Mann“, erklärte eine Teilnehmerin. Alternativ wünschten sich die Menschen Gesundheit und Weltfrieden.

 

Am 9. September besuchten wir den Forellenhof in Locktow und kochten im Nachbardorf Mörz bei Maria im Garten. Die Pflanzenkundige, die uns bereits im April beim Kräutersammeln unterstützt hat, führte die Gruppe durch ihren bunten Garten mit Zucchini, Tomaten, Yamswurzel, Amaranth und Strohblumen. Nach dem Essen, das wir im Garten zubereiten konnten, besuchten wir erneut die Esel und sammelten Äpfel für die Familien.

Nach einem Bogenbau-Workshop im März und dem Wunsch der Teilnehmer*innen, ihre Langbögen regelmäßig zu nutzen, knüpften wir Kontakt zu ortsansässigen Bogenschützen. Einmal kam uns der Sturm dazwischen, das nächste Treffen am 10. Oktober konnten wir dafür windstill in der Abendsonne in Alt Bork genießen. Die Sportschützen waren beeindruckt von den hölzernen Langbogen der Frauen und präsentierten ihre Carbon-Ausführungen. Schließlich wurde getauscht, ausprobiert, Tipps und Kniffe geteilt.

Am 26. Oktober machten wir eine Rundreise anlässlich des Aktionstages „Feuer und Flamme für unsere Museen“. In Borkheide besuchten wir das Fliegermuseum, in Emstal wurde vorm Backmuseum der Lehmofen für die Brotlaibe angeheizt, im Schulmuseum Rekahn erlebten wir eine historische Schulstunde und in Cammer besichtigten wir die Bockwindmühle.

Um alle für die kalte Jahreszeit zu stärken, kochten die afghanischen Frauen am 21. November ihre gehaltvolle Aush-Suppe für die Gruppe mit Nudeln, geröstete Zwiebeln, Hülsenfrüchten, Spinat, Knoblauch und Joghurt. In großer Runde schauten wir auf gemeinsam Erlebtes in 2024 zurück und planten unseren letzten Ausflug des Jahres.

Am 5. Dezember fuhren wir nach Brandenburg/Havel zum House of Resources, das unter einem Dach mit dem interkulturellen Bildungs- und Begegnungszentrum der BBAG „Gertrud von Saldern“ am Gotthardtkirchplatz fungiert. Vor Ort informierten sich die Menschen aus Afghanistan, Syrien und der Ukraine über die Möglichkeiten und Angebote. Eine Teilnehmerin stellte dem FREE-Projekt die Idee mit ihrer Torten-Manufaktur vor und traf auf fachkundige Beratung.

Im Jahreslauf haben die Teilnehmer*innen 12 unterschiedliche Orte kennengelernt, ihren Wortschatz/ihre Sprachkenntnisse sowie ihr Netzwerk erweitert. Untereinander ist eine neue Gemeinschaft aus diversen Kulturen entstanden, die sich ausgetauscht und unterstützt haben. In dem geschützten Raum des Offenen Eltern-Kind-Treffs haben sich alle getraut, Deutsch zu sprechen und dadurch gemerkt, wie gut sie das bereits können. Wir haben viel zusammen gelacht. Alles, was wir 2024 im Familienzentrum und dem Projekt „Natur verbindet“ erlebt haben, können sie mit einem Fotobuch mitnehmen, ihren Freunden und Familien zeigen und künftig als Kraftquelle nutzen, indem sie sich beim Betrachten mit den positiven Emotionen verbinden. „Coole Idee. Ich werde es immer wieder ansehen und mich an interessante Momente erinnern“, sagt Olesia.

 

 
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