Spitzenverbände fordern Preisgipfel für Brandenburg

Offener Brief an Ministerpräsident Dietmar Woidke

Spitzenverbände fordern Preisgipfel für Brandenburg

Offener Brief an Ministerpräsident Dietmar Woidke

Die kurzfristige Einberufung eines Preis- und Sozialgipfels fordern jetzt die beiden Spitzenverbände der Arbeiterwohlfahrt – AWO Bezirksverband Potsdam e.V. und AWO Landesverband Brandenburg e.V. – gemeinsam mit den Landesverbänden Deutscher Mieterbund, Haus & Grund sowie der Verbraucherzentrale. In einem Offenen Brief an den Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke bieten die genannten Organisationen ihre Mithilfe bei der Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs an, der den Menschen angesichts der Preissteigerungen in fast allen Lebensbereichen konkrete Hilfe auf Landesebene geben soll.


Minuten

An den

Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg
Herrn Dr. Dietmar Woidke
Heinrich-Mann-Allee 107

14473 Potsdam

Potsdam, den 01. September 2022

Preisgipfel für Brandenburg einberufen: Offener Brief von Organisationen des Mieter- und Verbraucherschutzes, privater Hauseigentümer:innen sowie von Sozialverbänden

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wie Sie wissen, sind bereits seit Ende vergangenen Jahres die Bürger:innen auch in Brandenburg erheblichen Preissteigerungen in fast allen Lebensbereichen ausgesetzt. Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat sich diese Situation nochmals deutlich verschärft. Aktuell ist das besonders bei Energie und Nahrungsmitteln spürbar. Fälle, in denen Verbraucher:innen für den Bezug von Erdgas monatlich – statt bislang 100 Euro – mittlerweile fast 600 Euro Abschlag und damit das Sechsfache zahlen müssen, sind keine Seltenheit. Lag der Preis an der Tankstelle für den Liter Diesel im Juli letzten Jahres noch bei 1,39 Euro, rangiert er im Vergleichsmonat dieses Jahres trotz Tankrabatt bei 1,96 Euro (plus 41 Prozent). Für Brot oder Milch müssen an der Ladentheke im Vergleich zum Vorjahresmonat Juli mittlerweile zwischen 20 bis 30 Prozent mehr gezahlt werden. Bei einzelnen Lebensmitteln fallen die Preissteigerungen sogar noch deutlich höher aus.

Das zusammen können viele Menschen schon heute nicht mehr stemmen: Senior:innen reicht ihre Rente nicht mehr. Energieverbraucher:innen werden die Verträge durch Versorgungsunternehmen aufgekündigt. Mieter:innen droht die Kündigung, wenn sie die rasant gestiegene Nebenkostenabrechnung nicht begleichen oder Besitzer:innen von Eigenheimen geraten mit ihrer Kreditabzahlung in existentielle Nöte. Dabei haben alle Angst davor, dass die Preisspirale kein Ende nimmt und mit Zeitverzug noch zusätzliche Belastungen auf sie zukommen. Leider können wir in unseren täglichen Beratungsgesprächen diese Befürchtungen mittlerweile kaum noch nehmen – in Anbetracht der geopolitischen Lage und weil fossile Energien einfach ein begrenztes und damit teures Gut sind.

Nach Entlastungspaketen auf Bundesebene (bislang u.a. mit Familienbonus, Kindersofortzuschlag, Energiepreispauschale, Einmalaufschlag auf Grundsicherung bzw. mit dem Heizkostenzuschussgesetz oder 9-Euro-Ticket) vermissen wir seit Monaten einen konzertierten Beitrag der öffentlichen Hand in Brandenburg. Denn der Bund kann „die Schneise schlagen“ – auch mit weiteren Entlastungspaketen. Aber die Länder und Kommunen müssen nach den spezifischen Gegebenheiten vor Ort unbedingt flankieren. Die Probleme sind so gewaltig, dass ausnahmslos alle Beteiligten zur Lösung beitragen müssen. Dabei kommt der öffentlichen Hand nicht nur die Rolle zu, Mittel bedarfsgerecht und auch zusätzlich einzusetzen. Sondern das Land ist zudem aufgerufen, in seinen Einrichtungen oder Fuhrparks selbst Energie zu sparen – um mit gutem Beispiel transparent voranzugehen, um mit privaten Haushalten nicht in Preiskonkurrenz zu treten und um die Energiespeicher für die kalte Jahreszeit weiter füllen zu können. Darüber hinaus gilt es, dass die hiesigen Ämter ihren Überwachungsfunktionen gerade auch in den relevanten Branchen konsequent nachkommen. Energieversorger oder Wohnungsgesellschaften im Besitz des Landes bzw. der Kommunen wiederum bieten selbst Leistungen an, die sie in dieser Sondersituation verbraucher-/mieterfreundlich oder eben -unfreundlich ausgestalten können.

Wir als zivilgesellschaftliche Organisationen beraten und unterstützen die Brandenburger:innen in ihren sehr unterschiedlichen Lebenslagen rechtlich sowie sozial und geben technischen Rat zum Energiesparen. Aber wenn das Marktgefüge nicht mehr funktioniert, geraten auch wir an unsere Grenzen. Dann dürfen wir ebenfalls von der Politik in Brandenburg einen konkreten Beitrag erwarten – beispielsweise durch:

  • Erhebung bzw. laufendes Monitoring der Einkommens-/Ausgabenlage der privaten Haushalte in Brandenburg
  • Einschreiten der Landeskartellbehörde bei ungerechtfertigten Preisen
  • Gewährleistung der Grundversorgung durch kommunale Energieanbieter
  • Selbstverpflichtung der landeseigenen und kommunalen Wohnungsanbieter zum Verzicht auf Kündigungen bei Zahlungsschwierigkeiten in Folge gestiegener Betriebskosten
  • Ausreichende Aufstockung des Wohngeldes, um einen Landesanteil für Energiekosten
  • Vermeidung von (Privat-)Insolvenzen durch die Einrichtung eines Härtefallfonds z.B. zur Gewährung einmaliger Beihilfen bei steigenden Energiepreisen
  • ambitionierte und nachgewiesene Energieeinsparung in allen Bereichen der Landesverwaltungen
  • konsequente Berücksichtigung von drastischen Preiserhöhungen bei der Landesförderung von Zuwendungsempfängern
  • finanzielle Unterstützung durch Mehrbelastungsausgleich für Träger von Einrichtungen der ambulanten bzw. stationären Kinder- und Jugendhilfe sowie Pflege
  • ganzheitliche Steuerung dieser Initiativen sowie Verantwortlichkeit über Ressortgrenzen hinweg
  • Entwicklung eines ambitionierten Kataloges mittelfristiger Maßnahmen, um die kürzlich verabschiedete Energiestrategie 2040 des Landes auch im Bereich der privaten Haushalte zu substantiieren
  • Einbindung relevanter Organisationen der Zivilgesellschaft in den Gesamtprozess

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, auch um gegenüber den Bürger:innen die Versorgungsicherheit im Land zu unterstreichen, ermuntern wir Sie dazu, unter Beteiligung der Zivilgesellschaft kurzfristig einen Energie- und Sozialgipfel einzuberufen. Lassen Sie auf dessen Grundlage unter den verschiedenen Ressorts einen Katalog von neuen Maßnahmen entwickeln und umsetzen, welche den Menschen in der momentanen Lage konkrete Hilfe auf Landesebene geben kann.

Für weitere Evidenz zur Problemlage stehen wir Ihnen auch vor Ort in unseren Beratungsstellen und Einrichtungen jederzeit persönlich zum Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Anne Baaske, Geschäftsführerin
AWO Landesverband Brandenburg e.V.

Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende
AWO Bezirksverband Potsdam e.V.

Wolfgang Finsterbusch, Vorstandsvorsitzender
Deutscher Mieterbund Land Brandenburg e.V.

Lars Eichert, Landesvorsitzender
Haus & Grund Brandenburg

Dr. Christian A. Rumpke, Geschäftsführer
Verbraucherzentrale Brandenburg e.V.

 
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