Präsident des AWO-Bundesverbandes besucht Wohnungsnotfall-Einrichtungen des AWO Bezirksverbandes Potsdam
AWO-Sommertour macht Station in Potsdam
Präsident des AWO-Bundesverbandes besucht Wohnungsnotfall-Einrichtungen des AWO Bezirksverbandes Potsdam
Wo drückt der Schuh in der Wohnungsnotfallhilfe? Was muss bundespolitisch getan werden, um die Situation zu verbessern? Der Vorsitzende des Präsidiums des AWO-Bundesverbandes, Michael Groß, hat am Mittwoch auf seiner 2. Sommertour Einrichtungen des AWO Bezirksverbandes Potsdam e.V. besucht.
Nach den Themen Kinderarmut und Schulgesundheitsfachkräfte der Sommertour 2022 lag der Schwerpunkt in diesem Jahr auf der Wohnungsnotfallhilfe der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt. Nach einer kurzen Begrüßung durch deren Präsidentin Marianne Rehda und einem anschließenden längeren Gespräch besichtigte Groß das Obdachlosenheim und die Notaufnahme, die Geflüchteten-Unterkunft und das Projekt „Junge Wilde“ für jugendliche Wohnungslose im Norden der Landeshauptstadt. Zwischen Krieg und Klimaschutz „darf der soziale Bereich nicht vernachlässigt werden“, sagte Groß. So werde das Thema Wohnungsnotfallhilfe und Armut gern verdrängt.
So besteht z.B. bei jungen Erwachsenen dringender Handlungsbedarf und zwar besonders, wenn sie aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe kommen, erklärte die Vorstandsvorsitzende der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt, Angela Schweers. „Man erwartet, dass diese Jugendlichen ab 18 Jahren auf einmal allein klarkommen, obwohl sie über keine Ressourcen oder ein familiäres Netzwerk verfügen. Diese Jugendlichen starten zu 100 Prozent arm in ihr Leben.“ Ein neues Projekt in Potsdam ist daher das sogenannte Care-Leaver-Zentrum, über das eine weitere Betreuung der Jugendlichen möglich ist.
Auch in Potsdam gibt es jedes Jahr viele Zwangsräumungen. Die Gründe dafür liegen ganz überwiegend bei Mietschulden, aber auch bei anderen Problemlagen wie Drogensucht oder psychischen Krankheiten. „Zwangsräumungen müssen um jeden Preis verhindert werden“, sagte Frauke Stürenburg, Präsidiumsmitglied im AWO Bundesverband sowie im AWO Bezirksverband Potsdam. David Weidling, Leiter des AWO Obdachlosenheims, betonte, dass die Bewohner*innen Unterstützung bräuchten. Sie benötigen Begleitung. „Wir dürfen sie nicht allein lassen.“ Wichtig seien verschiedene kleinteilige Wohnungsnotfalleinrichtungen und –projekte, die individuell auf die Bedarfe der jeweiligen betroffenen Gruppen wie z.B. junge Erwachsene, Familien, Frauen oder ältere wohnungslose Menschen ausgerichtet sind. Und natürlich braucht es bezahlbaren Wohnraum für alle.
Ein weiteres Thema war die jahrelange Praxis vieler Kommunen, soziale Angebote wie Schuldner- oder Suchtberatungen auszuschreiben. „Wir haben uns an Ausschreibungen grundsätzlich nicht beteiligt und dagegen geklagt“, sagte Schweers. „Die soziale Arbeit ist kein Wirtschaftsmarkt.“ Das Bundessozialgericht gab in einem Urteil im Mai diesen Jahres in einem vergleichbaren Fall Wohlfahrtsverbänden aus Nordrhein-Westfalen Recht und erklärte solche Ausschreibungen für unzulässig.
Katja Fisch, Referentin für Wohnungsnotfallhilfe der Gemeinsamen Landesarbeitsgemeinschaft der AWO im Land Brandenburg (AWO-LAG), beschrieb die politische Situation mit der fehlenden koordinierten Zusammenarbeit von Bund, Land und Kommunen zur Abschaffung von Wohnungslosigkeit und ihren dramatischen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft. Ein „Nationaler Aktionsplan zur Beseitigung von Wohnungslosigkeit“ sei zwingend erforderlich, um alle Akteure in diese Arbeit einzubinden.
Michael Groß dankte allen Mitarbeitenden für ihr Engagement und ihre tägliche Arbeit. Selbst Kind des Ruhrgebiets und aufgewachsen in einer Bergbausiedlung verwies er auf aktuelle Studien, wonach sich gerade junge Menschen immer mehr abgehängt und übergangen fühlten. Das solidarische Miteinander, also auch für die Interessen anderer Menschen einzustehen und zu streiten, sei ein wichtiges Gut in unserer Gesellschaft und ein Grundwert der AWO. Niemand darf zurückgelassen werden.