Die Haltung macht den Unterschied

Armut bekämpfen, nicht die Armen!

Die Haltung macht den Unterschied

Armut bekämpfen, nicht die Armen!

Von den etwa 12,9 Millionen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren in Deutschland leben etwa 1,9 bis 2,7 Millionen (je nach Datenquelle) mit einem Armutsrisiko.

Das bedeutet: Entbehrungen, Ausgrenzungen und Benachteiligungen im Verhältnis zum allgemeinen gesellschaftlichen Lebensstandard. Für den AWO Bezirksverband Potsdam e.V. gehört die Armut von Kindern und Jugendlichen zu den am dringendsten zu bearbeitenden Themen unserer Zeit. Der Fachtag an diesem Freitag wurde bewusst unter dem Motto „Echt jetzt?! Können, wollen und dürfen wir so weitermachen wie bisher?“ durchgeführt.

Prof. Dr. Michael Klundt von der Hochschule Magdeburg-Stendal beantwortete die Frage im Veranstaltungstitel mit einem klaren Nein. Schon seit vielen Jahren wird ein zunehmender Teil der Gesellschaft ungerecht behandelt – mit Folgen für das ganze Leben. Dabei wäre genug gesellschaftlicher Reichtum vorhanden, um Kinder- und Jugendarmut auszurotten. „An fehlendem Geld liegt es nicht, die Mittel sind nur sehr ungerecht verteilt.“, sagte der Armutsforscher in seinem Eröffnungsbeitrag. In einem sehr fundierten und facettenreichen Vortrag führte er weiter zu Ursachen, Risiken und politischen Zielstellungen aus, nannte auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut in Deutschland und der Welt. Es geht um die Bekämpfung der Armut, nicht um die Bekämpfung der Armen. Es ist eine Frage der Haltung, wie und mit welchen Mitteln wir diesem Thema begegnen.

Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende des AWO Bezirksverband Potsdam e.V., stellte bereits bei ihrer Begrüßung fest, dass es viele Erhebungen zum Thema Kinder- und Jugendarmut gibt. „Jeder weiß mittlerweile, dass jedes fünfte Kind in Armut lebt. Was fehlt, ist der politische Wille zur Veränderung.“, so die Vorsitzende. Es gebe in der öffentlichen Diskussion nur wenige, die dazu eine soziale Haltung entwickelt hätten und sich gegen Kinderarmut positionierten. Für sie ist Armut immer noch ein Makel. „Es gibt keinen Makel, das ist die richtige Einstellung“.

Zu Beginn des Fachtags, der ursprünglich als Präsenzveranstaltung im Bürgerhaus am Schlaatz geplant war und aufgrund der aktuellen Situation nun online durchgeführt wurde, beschrieb Hubert Lautenbach, Referent beim AWO Bundesverband, die Änderungen die mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) beschlossen wurden. Er stellte fest: „Das KJSG muss bessere finanzielle und personelle Ausstattung für Kinder- und Jugendhilfe zur Folge haben!“.

Doch welche Maßnahmen wirken? Genannt wurden unter anderem die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz, der Aufbau und die Stärkung von Präventionsketten, gute Löhne und Steuergerechtigkeit als wirksame Maßnahmen.

Auch Norbert Müller (Vorstandsmitglied im deutschen Kinderhilfswerk) benannte in seinem Vortrag zum Thema: „Kindergrundsicherung – Bedeutung für die Begleitung von Familien“ zwei unkompliziert umzusetzende Maßnahmen mit sofortiger Wirkung.

Erstens, Haushalte in denen Kinder leben, müssen von den Sanktionen im ALG Bezug ausgenommen werden und zweitens, allen Kindern, die in Einrichtungen betreut werden, sollte ein kostenfreies Frühstück und Mittagessen zur Verfügung gestellt werden.  

Impulsvorträge gab es an diesem abwechslungsreichen Fachtag auch von Gabriele Koné vom Institut für den Situationsansatz (ISTA/Fachstelle Kinderwelten) zum Thema: „Armutssensibles Handeln – Bedeutung, Ideen und Umsetzung“.

Auch Annette Berg von der Stiftung SPI bereicherte den Fachtag mit einem Vortrag zum Thema: „Kinder und Jugendliche in Armut - Wie lebt es sich mit zu wenig Geld“.

Den inhaltlichen Abschluss übernahm Bianka Pergande, die Geschäftsführerin der Deutschen Liga für das Kind zum Thema: „Armut als Kindeswohlgefährdung – Kinderrechte und gesellschaftliche Pflichten“.

Knapp 100 Interessierte aus unterschiedlichsten Bereichen und von verschiedenen Trägern und Institutionen begleiteten an diesem Freitag aktiv die verschiedenen Vorträge und die Podiumsdiskussion. Links zu weiterführenden Informationen wurden ausgetauscht. Deutlich wurde, dass sich schnell viel ändern muss, um Kinder- und Jugendarmut in die Geschichtsbücher zu verbannen. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sind Schalthebel vorhanden, die genutzt werden müssen.

„Die Haltung ist entscheidend. Die Haltung bildet die Grundlage gegenüber Armut und den Betroffenen von Armut. Politik und Verwaltung muss alle Lebensleistungen anerkennen und darf Familien nicht immer weiter erschöpfen.“ appellierte Angela Schweers und machte damit auch auf die Verantwortung jedes Einzelnen aufmerksam.

Die Ausstellung „Was sollte jedes Kind haben?“ wurde heute im Rahmen des Fachtages offiziell eröffnet. Bis zum 22.12.2021 sind Neugierige herzlich eingeladen, die kreativ gestalteten Antworten auf diese Frage im Bürgerhaus am Schlaatz zu bewundern.

Wer heute Abend noch Zeit und Lust hat sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen, ist um 19:00 Uhr ins Thalia Programmkino eingeladen. Gezeigt wird der Spielfilm „Sorry, we missed you“ (2019). Der Eintritt ist frei. Spenden sind willkommen. Eine Anmeldung ist noch über https://www.thalia-potsdam.de/filme/sorry-we-missed-you-15897/ möglich.

Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal bei allen Referent*innen und Teilnehmer*innen für ihre inhaltlichen Beträge und ihre Flexibilität bedanken.

Auch der Aktion Mensch gilt ein besonderer Dank. Durch ihre Förderung wurde der Fachtag ermöglicht

 
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