Online-Symposium zu Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung des Brandenburger Modellprojekts
Evaluationen und Gutachten des Projektes Schulgesundheitsfachkräfte
Online-Symposium zu Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung des Brandenburger Modellprojekts
Seit Februar 2017 sind im Land Brandenburg Schulgesundheitsfach-kräfte (SGFK) im Rahmen eines Modellprojektes an ausgewählten, öffentlichen Schulen im Einsatz. Auf einem bundesweiten Online-Symposium stellten die Evaluatoren und Gutachter am Donnerstag, den 17. Juni 2021 vor rund 150 Teilnehmer*innen ihre Ergebnisse im Detail vor.
Seit Februar 2017 sind im Land Brandenburg Schulgesundheitsfachkräfte (SGFK) im Rahmen eines Modellprojektes an ausgewählten, öffentlichen Schulen im Einsatz. 18 Schulgesundheitsfachkräfte sind im Rahmen dieses Modellprojekts an 27 Brandenburger Modellschulen tätig (19 Grundschulen, 7 Oberschulen und ein OSZ).
Ziel des Modellprojektes war zu prüfen, welchen Beitrag die SGFK zur Gesundheit und zum Bildungserfolg an öffentlichen Schulen leisten können und unter welchen Voraussetzungen ein zukünftiger regelhafter Einsatz funktionieren könnte.
Die Gutachten und Evaluationen zeigen Erfolge bei der Umsetzung des Modellprojektes sowie dass Kinder und Jugendliche eine kompetente Unterstützung zu gesundheitlichen Fragen und/oder Belangen durch die Schulgesundheitsfachkräfte an den Schulen erfahren. Auf einem bundesweiten Online-Symposium stellten die Evaluatoren und Gutachter am Donnerstag, den 17.06.2021, vor rund 150 Teilnehmer*innen ihre Ergebnisse im Detail vor.
„SGFK können die Chancengleichheit auf Gesundheit und Bildung erhöhen und Kinder und Jugendliche dadurch ihre Potentiale entfalten“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AWO Bezirksverband Potsdam e.V., Angela Schweers. Jedes Kind habe einen Anspruch darauf, gesund aufzuwachsen - unabhängig von der Herkunft, des sozialen Status oder des Einkommens der Familie.
Unter der Projektleitung des AWO Bezirksverbandes Potsdam e.V. wurde das Modellprojekt vom Brandenburger Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV), dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) sowie den Kooperationspartnern AOK Nordost – Die Gesundheitskasse und der Unfallkasse Brandenburg finanziell gefördert und fachlich begleitet
Das Modellprojekt wurde vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité Universitätsmedizin Berlin, der Leuphana-Universität Lüneburg und dem Delmenhorster Institut für Gesundheitsförderung (DIG) evaluiert. Außerdem liegen mehrere Gutachten der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen, der Potsdamer Kanzlei Dombert und der Hamburger Kanzlei Hohage, May und Partner vor.
Es zeigen sich vielversprechende Hinweise, dass Schulgesundheitsfachkräfte die Schüler*innen und andere Personengruppen wie Lehrkräfte und Eltern im Setting Schule in Ihrer Gesundheitskompetenz und Ihrem Gesundheitsverhalten unterstützen.“ Die SGFK vermittelten bei Bedarf zudem in das lokale Gesundheitssystem und nutzten ihr eigenes Netzwerk zu lokalen Akteuren im Gesundheitsbereich.
Die Evaluationsberichte sind in Kürze auf der Internetseite schulgesundheitsfachtkraft.de einsehbar.
Statements
Matthias Auth, Bereichsleiter Gesundheitsmanagement der AOK Nordost - Die Gesundheitskasse
„Das Modellprojekt hat gezeigt, dass Schulgesundheitsfachkräfte in den Modellschulen eine aktive Rolle bei der Förderung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen einnehmen können. Die Ergebnisse der Evaluation belegen, dass die Arbeit der Schulgesundheitsfachkräfte von den Lehrkräften, den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern gut in Anspruch genommen und geschätzt werden. An diese positiven Befunde kann in einer späteren regelhaften Umsetzung des Modellansatzes angeknüpft werden, um so noch stärker die Themen Bildung und Gesundheit im Schulalltag miteinander zu verbinden.“
Michael Wolf, Vorsitzender des Vorstandes der UK BB
„Kinder lernen dann am besten, wenn sie gesund sind und sich in der Schule wohlfühlen. Die Schulgesundheitsfachkräfte sind bei Verletzungen oder Erkrankungen der Kinder und Jugendlichen in der Schule schnell zur Stelle. Sie können durch ihre präventive Arbeit dazu beitragen, Unfälle und Erkrankungen zu vermeiden. Langfristig gilt es, Wissen über präventives gesundheitsorientiertes Verhalten zu vermitteln und Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich zu entwickeln. Alles spricht dafür, das Projekt Schulgesundheitsfachkräfte in der Zukunft weiterzuführen und auszubauen, um die Bildungschancen aller Kinder zu verbessern. Die Unfallkasse Brandenburg ist auch weiterhin bereit, das Projekt mit ihrer fachlichen Expertise zu unterstützen.“
Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Hurrelmann, Hertie School Berlin
„Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie wichtig Schulgesundheits-pflege ist, dann hat ihn die Corona Pandemie geliefert: Nur ein körperlich und psychisch gesundes Kind kann schulische Leistungen erbringen. Nur in Kooperation mit Schulgesundheitsfachkräften können sich Lehrkräfte auf ihre unterrichtliche Arbeit konzentrieren.“
Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende AWO Bezirksverband Potsdam e.V.
„Seit mehr als vier Jahren sind die Schulgesundheitsfachkräfte an den Modellschulen im Land Brandenburg für die Kinder da. Sie tragen wesentlich zur Chancengleichheit bei und sind ein wichtiger Beitrag gegen Kinderarmut. Die Bedeutung von Gesundheitsfachkräften an Schulen wird besonders seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr vergangenen Jahres deutlich. Die „Schulkrankenschwestern“ leisten unverzichtbare Unterstützung bei der laufenden Aktualisierung der Hygienekonzepte und deren Umsetzung. Sie beraten Lehrer, Eltern und Schüler gleichermaßen und verbessern so die Gesundheitskompetenz. Das Land Brandenburg ist Vorreiter in der Etablierung dieses innovativen neuen Berufsbildes, viele andere Bundesländer ziehen jetzt nach. Wo-rauf warten wir noch? Jedes Kind hat eine Schulgesundheitsfachkraft verdient.“
Ausgewählte Evaluationsergebnisse
Allgemeines
- Die Schulgesundheitsfachkräfte (SGFK) werden von den Schüler*innen stark nachgefragt. Sie wirken im Schulsystem, arbeiten mit den Lehrer*innen und Eltern zusammen und sind kommunal vernetzt.
- In den Grundschulen sind größere Anstrengungen in er Unfall- und Gewaltprävention erforderlich, da die Kontaktanlässe wegen Verletzungen deutlich häufiger sind als in Oberschulen.
- Jede Schule hat abhängig vom sozialen Kontext einen anderen Bedarf.
Gesundheit
- Mehr als die Hälfte der befragten Schüler*innen gab am Ende des Modellprojekts an, öfter über ihre Gesundheit nachzudenken und viel über ihre Gesundheit gelernt zu haben.
- Der Anteil der Schüler*innen, der sich wegen Erkrankung oder Behinderung gehänselt fühlte, konnte reduziert werden.
- Zur Stärkung der Gesundheitskompetenz wurden u. a. Projekte oder Veranstaltungen zu gesundheitlichen Themen durchgeführt.
- Der über die drei Messzeitpunkte relativ stabile Anteil von rund einem Fünftel der Schüler*innen mit niedriger Gesundheitskompetenz erfordert künftig weitere Maßnahmen der SGFK, um diese Schüler*innen zu erreichen.
- Fast die Hälfte bzw. ein Drittel der Schüler*innen der Grundschule gab an, täglich Obst bzw. Gemüse zu essen. Zwei Drittel der Schüler*innen gaben an, mindestens dreimal pro Woche körperlich aktiv zu sein. In der Sekundarstufe I waren es deutlich weniger. Diese Ergebnisse weisen auf einen erhöhten Präventionsbedarf in den höheren Altersklassen hin.
- Nach Auffassung von Schulleitungen sind SGFK ein wichtiger Motor bei der Einführung bzw. Umsetzung von Projekten der Gesundheitsförderung.
- Die Präventionsaktivitäten wären ohne eine SGFK nicht in demselben Ausmaß möglich.
- Die zunehmende Routine in der Tätigkeit setzt Ressourcen für die Präventionsarbeit frei.
Bildung
- Die gesundheitliche Unterstützung erhöht die Teilhabe der Schüler*innen am Bildungsprozess. 87 % der Schüler*innen mit Beschwerden bzw. Verletzungen konnten nach Maßnahmen der SGFK wieder in den Unterricht zurück.
- Lehrkräfte können bei einer gesundheitlichen Versorgung einzelner Schüler*innen durch die SGFK ihren Unterricht für die anderen aufrechterhalten.
- Ein bildungsförderlicher Effekt ergibt sich aus dem fachlichen Input der SGFK in Projekten, Arbeitsgruppen sowie durch Beiträge zu Gesundheitsthemen im Unterricht.
- Angesichts des Expertenstatus der SGFK in Sachen Gesundheit vertrauen Schüler*innen der SGFK.
Entlastung von Eltern, Schulpersonal und Gesundheitswesen
- Lehrer*innen und Eltern fühlten sich durch die SGFK spürbar entlastet.
- Lehrer*innen wandten sich häufig bei Fragen zum Umgang von Schüler*innen mit einer chronischen Erkrankung und Behinderung oder auch hinsichtlich anderer Gesundheitsthemen an die SGFK.
Strukturelle Empfehlungen für den Einsatz von SGFK
- Basierend auf internationalen Erfahrungen, dem Tätigkeitsprofil und den nationalen Modellprojekten wird ein Stellenschlüssel von 1:700 als Orientierung empfohlen, der jedoch kontextabhängig angepasst werden sollte.
- Darüber hinaus sollte der Einsatz einer SGFK pro Schule bevorzugt wer-den, damit die Effektivität des Einsatzes gewährleistet werden kann und eine SGFK verlässlich ansprechbar ist.
- SGFK im ländlichen Raum sind von besonderem Nutzen für die Schüler*innen mit gesundheitlichem Unterstützungsbedarf, da die medizinische Versorgungsstruktur schwieriger erreichbar ist als in Städten.
Hintergrund: Das Modellprojekt Schulgesundheitsfachkräfte
Seit mehr als zehn Jahren engagiert sich der AWO Bezirksverband Potsdam e. V. dafür, dass an den öffentlichen Schulen wie in vielen europäischen Ländern Schulgesundheitsfachkräfte etabliert werden. Der Wohlfahrtsverband ist Initiator und Projektträger des Modellprojektes „Schulgesundheitsfachkräfte an öffentlichen Schulen im Land Brandenburg“ im Land Brandenburg.
Seit 2017 sind im Rahmen des Modellprojektes Schulgesundheitsfachkräfte an ausgesuchten Modellschulen im Einsatz. Die aktuell 27 Modellschulen mit ins-gesamt 18 Schulgesundheitsfachkräften liegen in den sechs Landkreisen Elbe-Elster, Teltow-Fläming, Potsdam-Mittelmark, Prignitz, Barnim, und Ostprignitz-Ruppin sowie in den kreisfreien Städten Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder). Die Fachkräfte sind bei Verletzungen oder Erkrankungen zur Stelle, beraten in Gesundheitsfragen von der richtigen Ernährung bis zu ausreichender Bewegung, unterstützen die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste der Kommunen und betreuen chronisch kranke Kinder an den Schulen. Außerdem haben sie ein Netzwerk zu lokalen Akteuren im Gesundheits- und Bildungsbereich aufgebaut. Sie sind Ansprechpartner und Vertrauensperson für die Kinder und Jugendlichen, für die Lehrerschaft und die Eltern geworden.
Grundlage für die Umsetzung des Modellprojektes im Bundesland Brandenburg sowie im Partnerland Hessen waren die Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie (Projektphase I) und die Erstellung eines Curriculums zur Qualifizierungsmaßnahme für examinierte Gesundheits- und Kinder/- Krankenpflegekräfte zu Schulgesundheitsfachkräften (Projektphase II) durch den AWO Bezirksverband Potsdam. Ende 2016 startete die erste Weiterbildung von Schulgesundheitsfachkräften, welche schließlich ab Februar 2017 an ihren Modellschulen im Land Brandenburg tätig wurden (Projektphase III). 2018 wurde das evaluierte Curriculum überarbeitet und in der 2. Auflage veröffentlicht.
Die Projektphase IV begann 2019. Der ursprünglich für rund zwei Jahre angesetzte Projektzeitraum wurde um ein weiteres Jahr verlängert. Die „Schulkrankenschwestern“ sind jetzt bis zum 31.12.2021 im Land Brandenburg tätig.