Wie Finnland die Wohnungslosigkeit fast überwunden hat – und was davon übertragbar wäre
Wohnen muss ein Grundrecht werden
Wie Finnland die Wohnungslosigkeit fast überwunden hat – und was davon übertragbar wäre
Es geht. Es ist machbar. Finnland ist es in den vergangenen Jahren gelungen, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit weitestgehend zu beenden. Die Zahl der obdachlosen Menschen sank von mehr als 8000 Menschen auf jetzt 3686 im vergangenen Jahr. Ein Grund dafür liegt in dem Programm „Housing First“, das in dem skandinavischen Land konsequent umgesetzt wird. Mitte Februar reiste Bundesbauministerin Klara Geywitz nach Helsinki, um sich vor Ort über die Situation in Finnland zu informieren – und zu prüfen, was davon auch in Deutschland umgesetzt werden kann.
Aus Sicht des AWO Bezirksverbandes Potsdam e.V. eine ganze Menge. Wohnungslosigkeit bedeutet, dass Menschen kein Zuhause mehr haben, keinen sicheren Rückzugsort, an dem sie geschützt sind. Die hohe Inflation, teure Energie und Lebensmittel sowie der angespannte Wohnungsmarkt in vielen Städten verschärfen die Situation. Auch Familien und damit Kinder und Jugendliche sind zunehmend betroffen. Das prägt fürs gesamte Leben. Eine Idee aus Finnland: Die Obdachlosen-Zeitungen sind dort völlig anders organisiert. Eine Ausgabe kostet zehn Euro. Die Hälfte davon dürfen die Verkäufer*innen behalten, bezahlt wird digital. In Berlin etwa werden Zeitungen gegen eine Spende abgegeben. Das hilft nicht wirklich weiter.
Vor allem aber gilt seit Jahrzehnten in Finnland Wohnen als Grundrecht. Jedem finnischen Obdachlosen soll bedingungslos eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden, die Miete übernimmt der Staat. Daraus entstanden mit den Jahren verschiedene Konzepte und Wohnprojekte, auch einzelne Wohnungen in Städten wurden durch Stiftungen gekauft und an Wohnungslose vermietet. Daneben – besonders wichtig – werden freiwillige soziale Angebote wie medizinische und psychologische Angebote sowie Hilfe bei Behördengängen organisiert. Allerdings ist der Bedarf auch in Finnland immer noch größer als verfügbare Wohnungen. Es gibt Wartelisten für die „Housing first“-Angebote. Aber die Richtung stimmt.
Auf Deutschland übertragen bedeutet dies, dass beispielsweise eine Stiftung gegründet werden könnte, die Wohnungen übernimmt oder Bauprojekte finanziert. Diese Stiftung müsste aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Studien zu „Housing first“ zeigen die Erfolge und Chancen dieses Ansatzes auf.
Das berichtete im vergangenen Jahr auch Prof. Dr. Volker Busch-Geertsema, Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V. (GISS Bremen), auf dem bundesweiten Fachtag „Wohnungslos – ein Schicksal?“ der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt in der Landeshauptstadt. Zwar gebe es einzelne Projekte in Städten, ein flächendeckendes Angebot fehle aber noch, forderte er Ende Juni 2022.
Ein wichtiger Punkt für den Erfolg solcher Ansätze ist aus Sicht von Angela Schweers, Vorstandsvorsitzende des AWO Bezirksverbandes Potsdam, die Kontinuität. „Projekte sind gut und wichtig. Aber daraus sollten langfristige soziale Angebote entstehen, wenn die Projekte vielversprechend verlaufen sind. Eine Laufzeit dieser Angebote von wenigen Jahren hilft weder den obdachlosen Menschen noch den Sozialarbeiter*innen, die sie unterstützen“, so Schweers.
Erfreulich dabei: Die Bundesregierung und Bundesbauministerin Geywitz haben für dieses Jahr einen „Nationalen Aktionsplan Wohnungslosigkeit“ angekündigt mit dem Ziel, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beseitigen. Wir arbeiten gerne daran mit.