Jeder Mensch hat ein Recht auf ein eigenes Zuhause, Wohnraum ist ein Menschenrecht. Dennoch ist es seit Jahren fast unmöglich, in der Region Berlin-Brandenburg und auch in weiter entfernten Kommunen bezahlbaren Wohnraum zu finden. Die Mietpreise steigen, die Zahl der Zwangsräumungen nehmen zu. Am gestrigen Mittwoch diskutierten Fachexpert*innen und Politiker*innen im „Fachgespräch im Fischglas“ über unsere Forderung „Bezahlbarer Wohnraum für alle“, eine von neun Forderungen unseres Programms „1 plus 9 – ein Ziel, neun Forderungen für eine sozial gerechte Gesellschaft“.
Katja Fisch, Referentin Wohnungsnotfallhilfe bei der Gemeinsamen Landesarbeitsgemeinschaft (AWO LAG) der Arbeiterwohlfahrt in Brandenburg gab einen kurzen Überblick über die Situation. So seien die Mietpreise nicht in Potsdam, sondern auch in weiter entfernten Regionen in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen – ebenso die Baupreise. Es gebe auch im ländlichen Raum kaum noch freie Wohnungen. Und die Zahl der wohnungslosen Menschen nehme zu. Zwar habe Bundesbauminister Klara Geywitz (SPD) einen Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit vorgelegt. Das Problem werde aber in vielen Regionen im Land noch nicht wahrgenommen. „Es braucht eine eigene Strategie des Landes, um die Wohnungslosigkeit zu überwinden“, sagte Fisch. Daran müssten Landes- und Kommunalebene gemeinsam arbeiten.
Die Vorstandsvorsitzende des AWO Bezirksverband Potsdam e.V., Angela Schweers, forderte, dass mehr getan werden müsse, um den Verlust von Wohnraum zu verhindern. Hier gebe es viele Möglichkeiten wie Schuldnerberatungen, betreutes Wohnen und ähnliches. „Zwangsräumungen von Familien mit Kindern dürfen nicht mehr durchgeführt werden. Auch das Abschalten von Strom und Wasser ist gerade für Familien mit Kindern unzumutbar“. Sie verwies darauf, dass zunehmend junge Menschen und Familien mit Kindern von Wohnungslosigkeit betroffen seien. Das AWO Familienhaus sei etwa seit Jahren voll belegt, ebenso das AWO Wohnprojekt Junge Wilde. Und es dauere sehr lange für Menschen in Obdachlosenheimen, wieder eine eigene Wohnung zu bekommen. Grundsätzlich müssten Standards für Obdachlosenheime und Notaufnahmen festgelegt werden. Sammelunterkünfte lehnte sie ab. Stefan Wollenberg (Die Linke) schlug vor, Genossenschaften und kommunale Träger zu stärken, etwa durch Baupachtverträge.
Die Grünen-Direktkandidatin für den Potsdamer Wahlkreis 21, Marie Schäffer, schlug eine Landeswohnungsbaugesellschaft vor, die Baumaßnahmen für bezahlbaren Wohnraum koordinieren könne. Auch müssten die Mieterrechte gestärkt und die Mietpreisbindung im sozialen Wohnungsbau verlängert werden. Daniel Keller (SPD) kritisierte die vielen Auflagen beim Bau. So müsse es eine Planungsbeschleunigung geben, um schneller Wohnraum bereitzustellen. „Die Potsdamer Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam erhalte im Schnitt 400 Anfragen auf eine frei werdende Wohnung. Das ist zu viel“, so Keller. An dem Fachgespräch im moderierten Format „Fishbowl“ nahmen auch Madeleine Floiger (FDP) und die Präsidentin der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt, Marianne Rehda, und die Präsidiumsmitglieder Monika Thormeier und Ute Solf teil.
Das nächste Fachgespräch im Fischglas findet am Freitag im Interkulturellen Familiencafé Rathenow der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt zum Thema „Geflüchtete integrieren“ statt.